BayernSPD-Generalsekretär und SPD-Innenexperte im Bundestag, Uli Grötsch zieht zusammen mit der Digitalexpertin Ramona Greiner zum Ende von vier Jahren Trump auch Lehren für Deutschland. „Heute endet mit der Amtseinführung Joe Bidens eine Ära des Schreckens, die auch für uns ein Lehrstück ist. Trump hat es geschafft, rechtsradikale und spalterische Kräfte so anschlussfähig zu machen, dass sie in der Lage sind, die amerikanische Gesellschaft zu zersetzen. Höhepunkt war der Sturm auf das Kapitol vor wenigen Wochen.“
Uli Grötsch: „Die AFD treibt in Deutschland derzeit ein ganz ähnliches Spiel. Es kann deshalb gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, dass der Verfassungsschutz nun wohl die AFD als Gesamtpartei zum Beobachtungsfall machen wird. Auch die AFD hat in den letzten Jahren eine Politik betrieben, die auf Spaltung setzt und ganz unverhohlen Allianzen mit den Rechten und gefährlichen Verschwörungsgruppen wie den Querdenkern und Q-Anons zu schmieden. Der Vorfall mit Politiker bedrängenden Aktivisten aus diesem Zirkel, die durch die AFD in den Bundestag geschleust wurden, markierten einen der Höhepunkte dieser Agitation. Umso wichtiger ist es, dass der Verfassungsschutz sich auch auf Gruppierungen wie die Querdenker und Q-Anon konzentriert und seinen Blick für solche neuartigen Zusammenschlüsse weitet. Die AFD darf nicht als eine Partei im ganz normalen Parteienspektrum verklärt werden, sonst drohen uns amerikanische Verhältnisse. Wehret den Anfängen ist schon vorbei, wir müssen auf diesem Feld unsere Demokratie längst mit allen Mitteln verteidigen."
Ramona Greiner: "Wir müssen uns in diesem Zusammenhang auch die sozialen Plattformen wie Facebook und Twitter ansehen und dürfen nicht der einfachen Logik verfallen, dass eine durch die US-Konzerne gesteuerte Zensur die Lösung ist. So richtig es war, Trumps Twitteraccount in den letzten Tagen seiner Regierung abzuschalten, um einer weiteren Gewalteskalation entgegenzuwirken - unser Anspruch als Demokraten muss es sein, auch im sozialen Netz unsere Werte zu verteidigen und uns mit dem Unbequemen, Falschen und Populistischen dort auseinandersetzen. Meinungsvielfalt ist Grundsäule der Demokratie und nur durch den Austausch können wir stabile Demokratien gewährleisten. Sonst laufen wir Gefahr, dass solche Gruppierungen in anonyme Chatrooms abwandern, wo sich Echokammern verstärken, weil Gegenargumente gar nicht mehr sichtbar sind. Der Austausch der Trump- und QAnon-Anhänger:innen wird durch die Sperrung nicht unterbunden. Zunächst verlangsamt, aber nur verlagert – und zwar dorthin, wo demokratische Kräfte keinen Einblick und Zugang mehr haben. Gewaltbereitschaft bleibt unentdeckt. Gruppen werden kleiner, aber radikaler. Und nicht zuletzt sollte in einer Demokratie nicht ein einzelner Konzern die Deutungshoheit darüber haben, was gehört wird und was nicht – das ist Wasser auf die Mühlen der Verschwörungstheoretiker."